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Die Sache mit dem Doppelpunkt oder: Wie gendern wir heute

Benedikt schreibt über zwei Jahre Erfahrung mit Doppelpunkt als Mittel zum gendern.

Ein wenig von Apple inspiriert, wechselte ich damals vom Binnen-I zum Doppelpunkt, um zu zeigen, dass ich alle (jeweils) betroffenen Menschen meine. Egal welches Geschlecht sie haben oder wie sie sich selbst sehen oder fühlen.

Es ist immer wieder faszinierend, wie groß die Aufregung um dieses Zeichen ist. Ich könnte dann süffisant sagen: Leute, regt euch lieber dort auf, wo etwas Menschenverachtendes geschrieben wird und nicht dort, wo ich persönlich etwas Positives ausdrücken möchte.

Das muss mir niemand nachmachen. Wie Benedikt sagt, ist es manchmal gar nicht so einfach, den Doppelpunkt immer richtig zu setzen. Aber darüber nachzudenken, hilft mir manchmal, mich zu fragen, ob ich wirklich alle meine oder vielleicht doch nicht.

Wie gendern wir heute? Nein, das soll keine Ironie sein. Es soll nur ausdrücken, dass gendergerechte Sprache immer im Fluss sein wird. Wie so vieles in unserer Sprache. Welche Wörter verwenden wir, welche sollten wir nicht verwenden? Wie spreche ich bestimmte Personengruppen an und mit welchen Wörtern schrecke ich sie eher ab? Verstehen wir noch manche Wörter aus den 50er Jahren (ja, 1950) und welche modernen Begriffe halten Einzug in unsere Sprache.

Wenn ich von Leser:innen meines Blogs schreibe, so möchte ich damit wirklich etwas sagen. Nämlich, dass ich hoffe, dass mein Blog ganz unterschiedliche Menschen erreicht. Wenn ich zum Beispiel über das Fediverse schreibe, dann möchte ich die Fedizens erreichen, also die, die schon da sind. Und ich möchte die erreichen, die noch nichts davon wissen. Für beide Gruppen braucht man manchmal unterschiedliche Begriffe oder man muss Begriffe finden, die beide verstehen.

Für mich sagt der Doppelpunkt etwas aus. Für dich muss er das nicht. Du kannst auch einfach drüber lesen und so einfach die weibliche Form lesen. Wie Benedikt gesagt hat, in den meisten Ecken dieser Welt sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung Frauen. Da ist es auch in Ordnung, mal von Leserinnen statt von Lesern zu lesen.

Das berühmte Argument mit dem Lesefluss kann ich nicht nachvollziehen. Ich lese viele Texte, die mit Binnen-I, mit :, * oder _ arbeiten. Und ich lese ziemlich flüssig. Ehrlich gesagt gibt es viel schlimmere Hürden in einem Text: komplizierte Wortwahl, Fachbegriffe, Schachtelsätze.

Also bleibt mir der Doppelpunkt. Wie ich morgen schreibe, in ein paar Jahren? Auch das möchte ich wissen und bin gespannt.

PS: Ein paar ähnliche und weitere Gedanken dazu hatte ich auch im Juli 2022.

3 Kommentare

  1. Hi Robert, vielen Dank für die Erwähnung und deinem Update zum Thema Gendern. Das mit der Veränderlichkeit ist ein guter Punkt.

    Einerseits bzgl. der deutschen Sprache, denn die verändert sich vielleicht langsam, längerfristig betrachtet aber doch merklich, wie ich auch mit meinen Beispielen im Post versucht habe darzulegen.

    Andererseits auch, was Gendern an sich angeht. Denn nur, weil wir heute den Doppelpunkt oder ein anderes Zeichen verwenden, heißt das nicht, dass es in Zukunft nicht eine bessere, elegantere Form geben könnte. Es sollte uns aber nicht daran hindern, schon jetzt etwas zu tun – wenn man das möchte. Aufzwingen will ich das ja auch niemanden, auch wenn ich der Meinung bin, dass sich der Rechtschreibrat da schon etwas mehr bewegen könnte.

    Bzgl. Lesefluss bin ich auch ganz bei dir, da ist das Gendern bei der Komplexität der deutschen Sprache noch das geringste Problem. Bzw. könnte man das mit Optimierungen an anderer Stelle im Text immer ausgleichen, wie ich gerne sage. 🙂

    • Hallo Benedikt,

      Sprache verändert sich langsam. Wobei ich den Eindruck habe, dass es aufgrund des größeren globalen Austausches und aufgrund Youtube und Co. viel schneller geht. Vor ein paar Jahren habe ich in Wien kaum das Wort „Lecker“ gehört. Und jetzt ist es quasi Teil des Sprachgebrauchs.

      Was ich in meinem Artikel weniger betont bzw. erwähnt habe ist natürlich wie barrierefrei all diese Schreibweisen sind. Wie gehen Screenreader-Leser:innen damit um, bzw. die Screenreader selbst. Für Menschen mit Leseschwäche ist die gendergerechte Schreibweise wohl auch eine Hürde. Andererseits kann schon meine Wortwahl, meine Satzstellunng etc. ein gewaltiges Hindernis sein.

      Also bleiben wir am Thema dran und überdenken unser Schreiben ebenfalls regelmäßig…

  2. Ich verstehe dieses „es stört den Lesefluss“ gemeckere auch nicht. Ich selbst jedoch tu mir echt schwer alles richtig zu machen. Und dann bin ich auch angefressen wenn so Rechtschreibnaz…. auch noch ein Terz daraus machen. Anstatt das wir für jeden Schritt in die neue Welt dankbar sind.

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