Wieder einmal lese ich einen Beitrag, in dem dazu aufgerufen wird, bei X zu bleiben. Wenn alle guten Kräfte den Dienst verließen, würde man die Diskussion dort allein den Hassenden, Diskriminierenden und Verschwörungsgläubigen überlassen.
Das betreffe sowohl gesellschaftspolitisch aktive Nichtregierungsorganisationen als auch Behörden. Manche Behörde argumentiert dann noch, dass sie dort präsent sein müsse, wo sie eine größere Bevölkerungsgruppe erreiche – schließlich habe sie einen Informationsauftrag.
Flagge zeigen
Es gilt somit, Flagge zu zeigen.
Die Frage ist: Ist das die richtige Flagge, oder geht man damit unter?
Oder bedeutet „Flagge zeigen”, bewusst aus einem sozialen Netzwerk hinauszugehen?
Man kann kommunizieren, warum man geht und welche Alternative man anbietet.
Die eigene Website
Eine Möglichkeit ist die eigene Website. Diese wird von vielen Organisationen oft vernachlässigt. Sie sind nur noch auf Facebook und Co. gut vertreten und bieten dort News und Ansprechkanäle. Dabei wäre die eigene Website der Ort, an dem eine Organisation selbstbestimmt festlegen kann, was und wie sie kommuniziert. Informationen können ungefiltert so präsentiert werden, wie man es selbst möchte. Da wäre die eigene Flagge hochgehisst.
Wäre das nicht die bessere Strategie: Alle wichtigen Infos und Neuigkeiten auf der eigenen Website abbilden, weil man dort die Datenhoheit hat. Social Media Kanäle ergänzen die Kommunikation, tragen die Informationen meiner Website in die Breite und bieten auch einen weiteren Rückkanal.
Apropos Rückkanal: Eine E-Mail-Adresse, ein Online-Formular für Anfragen und vieles andere mehr lässt sich auch auf der eigenen Website abbilden.
Reichweite als Argument
Aber wie sieht es mit der Reichweite aus?
Ja, die reinen Follower-Zahlen sind auf X, Facebook oder Instagram wohl größer. Aber sagt das etwas über die tatsächliche Reichweite aus? Wer folgt einer Behörde einmal und wer liest dann regelmäßig ihre Beiträge?
Diskurs
Und Diskussion, Austausch? Die wenigsten Behörden – aber auch NGOs – haben den Willen und insbesondere die Ressource Diskurse zu unterstützen. Oft finde ich problematische Kommentare unter Behörden Postings. Manchmal werden die gelöscht. Öfters bleiben sie stehen und werden nicht mal entsprechend kommentiert. Das ist kein Flagge zeigen.
Ich schrieb schon vor einiger Zeit, welche Vorteile das Fediverse Behörden, NGOs und Vereinen bieten kann.
Geht man noch einen Schritt weiter, wäre eine eigene Fediverse-Instanz eine wirkliche Erweiterung meiner Website – unter anderem durch eine Subdomain zu meiner bestehenden Website.
Die Frage bleibt
Die Frage bleibt. Wo soll meine Flagge wehen und ist sie dabei ein Symbol für aufgegebene Werte oder für meinen Einsatz für demokratische Grundwerte?

Ich fand das Argument gut, dass Flagge zeigen in dem Moment nicht funktionieren kann, in dem der Algorithmus von feindlichen Kräften kontrolliert wird. Der versteckt dann entweder die Inhalte oder zeigt sie so an, dass sie dem eigenen Zweck dienen. Plus, den eigenen Followers wird ja auch Propaganda angezeigt, man lässt sie beeinflussen. Man befeuert also nur den Hass und gibt den Faschisten Material, spielt gleichzeitig Werbegeld in Musks Hände und macht die Plattform auf dem Papier wichtiger.
Rausgehen ist der einzige richtige Schritt.
Das ist ein gutes Argument. Der Gedanke kam mir auch nach Veröffentlichung meines Artikels, dass gerade der Algorithmus vieles verhindert.
Irgendwer schrieb, dass es heute vielleicht wichtiger wäre in all dem Lärm, die Lärmenden unbedeutender zu machen. Nicht dem Profil folgen (wenn ich es schon aus irgendwelchen Gründen lesen muss, dann kann ich auch andere Wege finden als ein „follow“) und somit dessen Bedeutung im Netz schmälern.
So und nicht anders. Wenn dort nur noch Faschos unter sich sind, haben auch Organisationen, Medien etc. früher oder später die Schnauze voll und gehen. Jeder der dort bleibt, gibt seriösen Medien die Ausrede dort zu bleiben, weil ja angeblich noch Publikum da ist. Hinzukommt, wenn all diese endgültig weg sind, wird es für den rechten Sumpf sehr schnell langweilig, da niemand mehr da ist, an dem man sich abarbeiten kannund den man beleidigen und bedrohen könnte.
Robert weist auf einen Beitrag hin, in dem dazu aufgerufen wird, bei X zu bleiben und dort Flagge zu zeigen. Wenn alle guten Kräfte den Dienst verließen, würde man die Diskussion dort allein den Hassenden, Diskriminierenden und Verschwörungsgläubigen überlassen. Flagge zeigen bei X? Am Arsch! Ich habe mir jahrelang bei X und FB den Mund fusselig geredet, gegen den Hass dort. Was hat es gebracht? Meine mentale Kraft nahm immer mehr ab, bis hin zu ernsthaften psychischen Problemen (Doom-Scroling sei Dank). Und es hat nichts bewirkt. Dazu kam, keiner stand einem zur Seite. All die Rufer, dass man doch da bleiben sollte, habe ich in den vielen Diskussionen nicht zu Gesicht bekommen. Im Gegenteil, mehr als einmal fielen einem Menschen aus der „eigenen“ Bubble in den Rücken, weil man mal ein falsches Wort oder einen falschen Begriff genutzt hat. Das hat dann zusätzliche Kraft gekostet, weil man plötzlich an zwei Diskussionsfronten unterwegs war. Derweil haben sich die Trolle darüber kaputtgelacht. Von mir aus kann X zur Seuchengrube verkommen. Wobei, nee, der Zug ist längst abgefahren. Das Teil ist kaputt und kann auch nicht mehr repariert werden. Und wer meint, mit Gegenrede dort noch irgendwas zu erreichen, ist schon sehr idealistisch unterwegs. Das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Aber bitte, wer die Kraft und Zeit hat, kann sich gerne in diese Jauchegrube bewegen und dort versuchen, etwas zu ändern.