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Das Fediverse einfach erklärt: Ein soziales Netzwerk ohne Grenzen

Zum Artikel: Es gibt viele Erklärungen zum Fediverse. Ich dachte mir: Es schadet nicht noch eine zu schreiben. Vielleicht hilft es jemanden.

Stell dir vor, du hast ein Profil auf Instagram. Du teilst Fotos, kommentierst Beiträge und gibst Likes. Nun entdeckst du eine spannende Fotografin auf Facebook. Du würdest ihr gerne folgen – aber dafür müsstest du dich dort registrieren.

Wären beide Plattformen Teil des Fediverse, wäre das nicht nötig. Du könntest einfach auf ihr Profil gehen, auf „Folgen“ klicken – und schon erscheinen ihre Beiträge in deiner Instagram-Timeline. Du kannst sie liken, kommentieren und teilen, und sie sieht deine Reaktionen direkt unter ihrem Beitrag auf Facebook. Und das funktioniert nicht nur mit Bildern oder Texten, sondern auch mit Videos, Musik und mehr.

Wie funktioniert das?

Das Fediverse verbindet unterschiedliche Plattformen durch eine gemeinsame Schnittstelle: ActivityPub. Sie ermöglicht den Austausch von Beiträgen, Likes, Kommentaren und mehr – plattformübergreifend. Statt viele verschiedene Accounts auf diversen sozialen Netzwerken zu verwalten, brauchst du nur einen Account im Fediverse, um mit anderen in Kontakt zu treten.

Der große Vorteil dabei ist, dass du nicht auf eine einzelne Plattform angewiesen bist. Wenn eine Instanz offline geht oder dir die Moderation nicht zusagt, kannst du problemlos auf eine andere Instanz wechseln, ohne dein soziales Netzwerk zu verlieren. Du kannst sogar selbst eine Instanz betreiben – für dich allein oder auch für andere.

Dein Profil im Fediverse

Jedes Profil im Fediverse hat eine eindeutige Adresse – ähnlich wie eine E-Mail-Adresse.

Ein Beispiel:

  • Dein Nutzername auf Instagram: @Nutzer234
  • Die Fotografin auf Facebook: @DieBesteFotografin

Im Fediverse sieht das so aus:

Du kannst jede Person in jedem Netzwerk adressieren und somit ihr folgen, egal auf welcher Plattform sie sich befindet. Dies reduziert die Notwendigkeit, sich bei verschiedenen Diensten anzumelden und erleichtert den Austausch über Plattformgrenzen hinweg.

Was macht das Fediverse besonders?

1. Freiheit bei der Wahl der Plattform

Im Fediverse gibt es nicht nur ein einziges „Instagram“ oder „Facebook“. Stattdessen existieren verschiedene Plattformen, die alle miteinander verbunden sind. Du kannst dir die Instanz aussuchen, die am besten zu dir passt – oder auch mehrere nutzen. Falls du unzufrieden bist, kannst du problemlos auf eine andere Instanz umziehen und deine Kontakte mitnehmen. Auch der Export und Import deiner Follower (und anderer Daten) ist in vielen Fällen möglich.

2. Unterschiedliche Regeln und Communitys

Jede Plattform (genannt „Instanz“) hat ihre eigenen Regeln. Manche sind themenspezifisch (z. B. Wissenschaft, Kunst, Journalismus), andere legen Wert auf besonders sichere oder inklusive Räume, z. B. für LGBTIQ-Communitys. Da es keine zentrale Kontrolle gibt, entstehen vielfältige und individuell gestaltete Communitys, die von den Nutzern selbst bestimmt werden. Um mal zu schauen, was es denn so gibt, ist z.B. Themed Servers eine gute Möglichkeit.

Du kannst eine Instanz wählen, deren Moderation deinen Vorstellungen entspricht. Manche setzen auf strenge Richtlinien, andere bevorzugen eine offene Diskussion. Die Wahl liegt ganz bei dir.

3. Dezentrale Kontrolle

Große Unternehmen wie Meta oder X bestimmen, was erlaubt ist. Im Fediverse entscheidest du, welche Instanz du nutzt. Falls sie dir nicht mehr zusagt, kannst du einfach wechseln.

Anders als bei kommerziellen Netzwerken gibt es hier keine einseitige Überwachung oder das Risiko, dass dein Account aufgrund undurchsichtiger Richtlinien gesperrt wird.

Da jede Instanz unabhängig betrieben wird, gibt es keine zentrale Kontrolle. Das bedeutet aber auch, dass es Unterschiede bei der Qualität der Moderation gibt. Daher ist es wichtig, sich eine Instanz auszusuchen, die zu den eigenen Werten passt.

Welche Plattformen gibt es im Fediverse?

Sehr viele, siehe fediverse.party. Hier sind einige bekannte Plattformen:

  • Mastodon hat ähnliche Funktionen wie Twitter
  • Friendica ist Facebook ein wenig ähnlich
  • Pixelfed ist eine Alternative zu Instagram für Foto- und Video-Sharing
  • PeerTube ist eine dezentrale Videoplattform, vergleichbar mit YouTube
  • WriteFreely ist eine minimalistische Blogging-Plattform für lange Texte
  • Hubzilla mit dem interessanten Ansatz, seine eigene Online-Identität von einer Instanz zur nächsten mitzunehmen (Nomadische Identität). Siehe Kommentar von Tim vom 16.2.2025.

Zusätzlich gibt es viele spezialisierte Dienste, etwa für Podcast oder Buchrezensionen. Da immer neue Plattformen entstehen, gibt es für fast jeden Bedarf eine passende Instanz.

Freiheit vs Sicherheit

Nicht jede Instanz ist harmlos. Es gibt beispielsweise rechtsradikale Plattformen. Die meisten Instanzbetreiber:innen blockieren solche sofort, sodass diese Inhalte nicht auf ihren Instanzen sichtbar sind und du auch niemandem von der anderen Instanz folgen kannst.

Falls deine Instanzbetreiber:innen eine Instanz blockieren, auf der du interessanten Personen folgst, kannst du einfach eine andere Instanz nutzen, auf der das geht. Niemand hindert dich auch daran, dich auf mehreren Instanzen gleichzeitig anzumelden, um dir so verschiedene Timelines anzulegen. Dadurch hast du Kontrolle darüber, mit wem du interagierst und welche Inhalte du konsumierst.

Natürlich kannst auch du selbst einzelne Profile blockieren, falls dir diese Probleme bereiten.

Das Fediverse ist sozial angelegt

Technisch funktionieren diese Plattformen oft wie ihre kommerziellen Vorbilder. Doch die soziale Struktur ist anders:

  • Keine versteckten Algorithmen: Du siehst Beiträge chronologisch, nicht nach Reichweite oder anderen undurchsichtigen Vorgaben.
  • Gemeinschaft: Hier geht es nicht um bloßen Konsum, sondern um echten Austausch. Likes sind eine nette Geste, aber sie beeinflussen keine Algorithmen. Wertvoll sind echte Interaktionen – Kommentare und das Teilen von Inhalten mit deinen Followern, um Diskussionen anzuregen.
  • Kein Konzern, der alles besitzt: Viele Instanzen werden von Einzelpersonen oder Vereinen betrieben, oft aus Idealismus.
  • Du zahlst nicht mit deinen Daten: Finanzielle Beiträge helfen, die Technik am Laufen zu halten, und sind keine versteckte Gebühr, um Werbung zu vermeiden – denn Werbung gibt es im Fediverse nicht. Du bestimmst, welche Inhalte in deiner Timeline erscheinen, ohne dass dir ungefragt fremde Beiträge angezeigt werden.

Da die Instanzen von verschiedenen Organisationen betrieben werden, gibt es eine Vielzahl von Finanzierungsmodellen – von freiwilligen Spenden über Mitgliedschaften bis hin zu Förderungen.

Fazit

Das Fediverse ist ein Netzwerk aus unabhängigen, aber verbundenen Plattformen.

  • Du kannst Menschen plattformübergreifend folgen, ohne neue Accounts zu erstellen.
  • Deine Adresse sieht aus wie eine E-Mail-Adresse: @DeinName@DeineInstanz
  • Statt einer großen Plattform gibt es viele Instanzen mit eigenen Regeln.
  • Inhalte werden chronologisch und nicht durch Algorithmen sortiert.
  • Communities und direkte Interaktion stehen im Mittelpunkt.

Das Fediverse ist eine Alternative zu kommerziellen sozialen Netzwerken – mit mehr Kontrolle, Freiheit und echten Verbindungen. Indem du das Fediverse nutzt, unterstützt du ein wirkliches soziales Netzwerk, das von Menschen für Menschen gemacht ist – und nicht von gewinnorientierten Konzernen.

9 Kommentare

  1. Hui, da hast du einen fein informativen sowie gut geschriebenen Artikel gezaubert. 👍️😀

    Somit habe ich dann eine weitere Quelle zum darauf verweisen, auch wenn ich dann irgendwann mal meinen eigenen Artikel zu der Thematik noch schreiben sollte. 😁😉

    • Danke. Habe einige Zeit daran herumgetüftelt.

      Ja. Schreib einen Artikel. Je mehr es gibt umso besser. Denn es braucht auch viele Erkläransätze um unterschiedliche Menschen zu erreichen.

  2. Ein toller Artikel. Der bekommt Platz in der Linkliste meiner Wochen-Highlights aus dem RSS-Reader am Freitag.

    • Danke dir. Das freut mich. Möge es ein klein wenig das Interesse am Fediverse heben.

  3. Moin, danke für das Blogposting. Ich bin über Tommi darüber gestolpert und Tommi habe ich durch die von ihm initiierte Blogparade kennen gelernt. Ich finde das gerade sehr schön 🙂

    Aber der Grund meines Kommentars ist die Frage, ob du bei der Auflistung der Fediverse-Plattformen noch Hubzilla aufnehmen magst. Und zwar nicht, weil ich Nutzer und Fan von Hubzilla bin, sondern um für eine spezifische Funktion Aufmerksamkeit zu schaffen, die ich für wirklich herausragend halte und von der ich mir wünschen würde, dass sie auch von anderen Plattformen wie Mastodon übernommen werden. Diese Funktion nennt sich „Nomadische Identität“.

    Ich könnte noch viel über die Hintergründe schreiben, aber das ist nicht der passende Ort. Kurz, die nomadische Identität wurde entwickelt, um für Nutzer:innen eine größtmögliche Unabhängigkeit von Instanzbetreibern zu erreichen. Was passiert, wenn die Instanz deines Accounts von einer Sekunde zur anderen verschwunden ist?

    Die nomadische Identität löst das Problem wie folgt:
    – Du hast einen Hauptaccount auf einer Hubzilla-Instanz.
    – Du verwendest einen oder mehrere zusätzliche Accounts auf anderen Instanzen.
    – Über die Funktion nomadische Identität werden dann deine Kontakte und Posting zu den anderen Accounts gespiegelt.
    – Fällt der Hauptaccounts aus, schaltest du einen der anderen Accounts als Hauptaccount ein. Alle Kontakte stellen automatisch die Verbidung zu deinen Account um, ohne dass sie Hand anlegen müssen
    – du interagierst mit ihnen ohne Unterbrechung über den neuen Hauptaccount

    Die nomadische Identität kann man auch dazu verwenden, seinen Account auf eine andere Instanz umzuziehen: einfach den neuen Account als Klon aktivieren, einen halben Tag warten und dann den neuen Account als Hauptaccount aktivieren. Schwupps sind alle Verbindungen und Postings auf der neuen Instanz.

    Mastodon kann so etwas leider nicht. Man kann seinen Account umziehen. Das bedeutet aber lediglich, dass man seine Kontakte halb automatisch mitbekommt, nicht aber seine Postings. Darum würde ich mich freuen, wenn die Idee der nomadischen Identität auch bei anderen Plattformen umgesetzt wird und diesen Account-Umzug eines Tages sogar über Plattformgrenzen hinweg ermöglichen könnten.

    Viele Grüße von der Ostsee!
    -Tim

    • Lieber Tim, danke für eine Ergänzung.Die nomadische Identität finde ich einen spannenden Ansatz. Es wäre fein, wenn andere Anwendungen wie Mastodon so etwas auch unterstützen könnten. Und noch interessanter wenn es – zumindest in Teilen – auch kompatibel zwischen unterschiedlichen Anwendungen wäre. Ich habe daher Hubzilla als Beispiel gerne ergänzt und auch auf deinen Kommentar verlinkt, da er gleich einen etwas tieferen Einblick in die Idee gibt.

      Grüße aus Wien an die Ostsee – habe dortige Aufenthalte immer genossen.

    • Hubzilla hatte ich damals(Zu der Zeit als GnuSocial.de aktiv war) auch in meiner kleine Auswahl gehabt, mich jedoch dagegen entschieden. 🤔

      Schön zu wissen, das Projekt existiert noch und ist aktiv. 😀

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