Vor einigen Wochen ist mir fischundfleisch zum ersten mal aufgefallen.
Bei näherer Betrachtung war ich einerseits erstaunt, wer dort aller schreibt: Österreichische „Promis“, Menschen aus dem Social Media Bereich, BloggerInnen, JournalistInnen,… Andererseits war mir nicht ganz klar, was fischundfleisch sein bzw. werden soll. Eine neue Bloggingplattform? Eine neues Online-Medium? Eine Plattform für Jobsuchende im Medienbereich?
Über Twitter bin ich mit der Gründerin und Redaktionsleiterin Silvia Jelincic in Kontakt gekommen. Das habe ich genutzt, um mit ihr ein Interview zu führen. Fragen und Antworten haben wir per E-Mail ausgetauscht. Der Text des Gesamtinterviews wurde mir von Silvia nochmals bestätigt.
Nachfolgend somit vielleicht ein paar Antworten, was fischundfleisch erreichen möchte.
Robert: Bitte stell dich zuerst in ein paar Zeilen vor.
Silvia: Ich bin 36 Jahre alt, meine Eltern kommen aus Kroatien, geboren bin ich in Wien. Ich hab studiert, habe eine Schwester, lebe in wilder Ehe, bin Mutter eines Kindes. Heute lebe ich am Land, in NÖ. Ich bin seit 15 Jahren Journalistin und ich liebe diesen Job. Es gibt nichts Spannenderes. Ich hab beim Privatfernsehen begonnen, war dann in New York, wo ich für eine Zeitung schrieb, dann war ich knapp 10 Jahre in der VGN (Verlagsgruppe NEWS/Format) Wirtschaftsredakteurin. Meine Spezialgebiete: Handel, Luftfahrt. Ich liebte meinen Job, aber irgendwann will man was anderes machen.
Was ist das Ziel von fischundfleisch?
Spaß haben und Menschen glücklich machen, mit Worten, mit Bildern und Videos. Im Fokus stehen und bleiben auf f+f die Worte. Videos und Bilder werden aber noch folgen. Ziel ist es, eine Community für vornehmlich an Texten interessierte Menschen zu bilden. Die Texte sind alle meinungsgefärbt.
Wir sind noch in der Betaphase, in den nächsten 2, 3 Monaten stehen noch deutliche Veränderungen an.
Wie bist du auf die Idee gekommen fischundfleisch zu gründen?
Beim Stillen meines Kindes. Prof. Johannes Huber (Hormonexperte AKH Wien) sagte mir, dass stillende Frauen bestimmte Hormone ausschütten, die das Hirn quasi stimulieren. Nun, bei mir könnte das der Fall gewesen sein. Hat zumindest kurzfristig was bewirkt.
Unter „Jobs“ werden einige Professionen angeboten, die man durch gute Beiträge eventuell erlangen kann. Bei einigen wird dann wiederum auf Praktika-Plätze hingewiesen. Man könnte meinen, dass wäre eventuell nur ein Lockmittel um mehr TexterInnen zu gewinnen. Steckt da mehr dahinter, oder?
Es gibt dafür einen einfachen Grund. Wir haben nur ein begrenztes Angebot bzw. Kontigent, darum können wir es nicht zu leicht machen. Denn unsere Medienpartner haben nur eine bestimmte Zahl an Praktikumsplätzen zu vergeben, daher können wir nur guten, fleißigen Leuten eine Chance geben. ATV sichert uns z.B. 20 Vorstellungsgespräche im Jahr zu, bei 88,6 sind es 3 im Monat; die Besten werden genommen. Also müssen wir für unsere Partner nach den Besten suchen. Eines ist klar: Auch Qualität ist subjektiv. Wer für mich gut bloggt, kann für dich grottig sein. Daher entscheiden zu einem Gutteil die Klicks. Leute, die bei den Usern ankommen, kommen weiter.
Was uns am meisten freut: Die Anwärter wollen gleich bei uns bloggen, haben also größeres Interesse am Bloggen auf f+f als an den Praktikumsplätzen. Das wundert uns selbst. Noch sind wir ja nicht sexy. Werden es aber.
Warum sollte ich auf fischundfleisch schreiben und nicht in meinem eigenen Blog?
Ich kann da nur die Meinung der Blogger wiedergeben, zum Beispiel Martin Borger. Er schrieb mir, dass er sich über die Möglichkeit freut, bei uns zu bloggen, weil er mehr gelesen wird. Er hat durch uns mehr Reichweite bekommen. Das freut mich sehr für ihn, ein echt cooler Typ. Christoph Cecerle sagte mir zum Beispiel, dass ihn Google dank seiner Teilnahme bei uns besser rankt etc.
Anna Wallner von der Presse, die ich übrigens sehr schätze, bat mich vor kurzem, in ihrem f+f-Profil den Link zu ihrem Blog einzubauen (also getan hat sie es eigentlich selbst, sie hat ja den Zugang). Das geht natürlich klar. Es soll für alle eine win-win-Situation sein: Mehr Reichweite und auch Branding.
Im Impressum findet sich
Mit der Veröffentlichung von Beiträgen (Hörbeispiele, Videos, Fotos, Texte, Karikaturen, Zeichnungen u.ä.) übertragen die fischundfleisch-Nutzer der Betreiberin das nicht ausschließliche Recht an der Verwendung und Weitergabe des auf bzw. für f&f zur Verfügung gestellten Materials. Damit können User das von ihnen f&f zur Verfügung gestellte Material auch anderswo verwenden, aber auch fischundfleisch kann das Material anderswo verwenden – zum Beispiel können die User-Beiträge durch f&f auf Facebook geteilt werden.
Das heißt aber auch, dass fischundfleisch irgendwann die Texte auch zu Geld machen kann – z.B. an Verlage verkaufen. Ist das so gewollt?
Nein, das habe ich nicht vor, fände ich moralisch bedenklich, aber ich weiß, dass es Plattformen gibt, die ähnliches machen. Sollen sie, wenn es rechtlich okay ist. Deren Sache. Wir haben aber ein anderes Business Modell, das es in der Form im deutschsprachigen Raum noch nirgends gibt. Es wird erst 2016 greifen. Zunächst ist harte Arbeit angesagt, an Gewinne trauen wir uns alle noch nicht zu denken. Wir bleiben auf jeden Fall gratis.
Wir sind auch schon „geprügelt“ worden, weil Leser bei uns Texte veröffentlichen und dafür kein Geld bekommen. Aber Leute, mal ehrlich, wer soll das bezahlen? So viel Geld haben wir nicht. Wenn ihr was auf Youtube hochladet, bekommt ihr dann auch Geld? Alles, was wir einnehmen, dank Sponsoren, wird an die Journalisten im Team ausgeschüttet. Das sind Leute, die von ihrer Schreibe leben und daher müssen sie auch bezahlt werden. Ich verdiene erst ab Februar was. Und zwar 1.200 Euro brutto im Monat. Manchmal denke ich mir selbst: Du spinnst. Hast im News Verlag ein Vielfaches verdient.
Viele andere, darunter Ärzte und Anwälte, haben uns gesagt, dass die Bezahlung für sie kein Thema ist, aber nicht, weil sie wissen, dass wir kein Geld haben, sondern weil sie durchs Bloggen Werbung haben und selbst zur Marke werden. Das bringt ihnen mehr Kunden, und ein besseres Standing. Und genau das ist unsere Botschaft: „Wir machen Meinungen. Wir machen Stars.“ Das ist unser mission statement.
Es wäre also krank von unseren Lesern Geld zu verlangen. Denn viele schreiben ja gratis bei uns. Verstehst du was ich meine? Wir sind und bleiben gratis.
Wo siehst du fischundfleisch in einem Jahr?
Gute Frage, es läuft bisher toll, wir sind sehr dankbar, aber wir haben noch viele Kinderkrankheiten. Auf twitter sind die Leute teils gnadenlos, die dreschen auf dich ein, wenn ihnen Fehler auffallen. Bis Ende 2015 müssen diese Krankheiten jedenfalls weg sein, also die Technik muss dann top sein, der Ablauf muss passen, der Autorenmix etc. Oh, ich bekomme wieder Kopfweh.. so viel Arbeit… puh..
In einer deiner Kolumnen finde ich deinen Ausspruch „Es ist an der Zeit, dass wir eine starke Community bilden mit der Kraft, zu verändern!“. Wie stellst du dir vor, dass fischundfleisch etwas verändern kann? In welche Richtung?
Es fehlt die Farbe, es fehlt der natürliche Wahnsinn, das machen viel zu wenige, Ende 2015 wirst du sehen, was wir damit meinen. Wir wollen einen intelligenten Meinungsjournalismus fördern und zum Umdenken bewegen. Das passiert auch schon. Heute schrieb mir eine Userin, dass sie das Ganze (es ging um den im Lift verstorbenen Mann) so noch nie gesehen hatte und sich nun bemühen würde, wachsamer durchs Leben zu gehen.
Hältst du das System, dass man durch viele Likes und Fische zum „Experten“ aufsteigen kann, für langfristig sinnvoll? Experte bzw. Expertin wird man doch nicht allein durch „Sympathie“ oder Zustimmung zur Meinung?
Richtig, darum bestehen wir auch auf persönlichen Gesprächen. Im Expertenteam neu sind zum Beispiel Christoph Cecerle (IT). Den haben wir kennengelernt und schnell war klar: Okay, der ist gut, der gehört da rein. Da passt auch der Lebenslauf. Der Typ kennt sich aus. Oder Plus-Size-Bloggerin Rhea. Sie hat selbst schon Bücher geschrieben, gute Bücher, die mussten wir als Autorin haben. Aber es gilt immer: Was gefällt dem User? Was bringt es dir, wenn du ein toller Schreiber bist, wenn dich aber, aus welchen Gründen auch immer, keiner liest? Und ja, auch das gibt es.
Schreiben die „Promis“ wie Arnold Schwarzenegger, Elisabeth Engstler oder Rotraud Perner wirklich selbst in fischundfleisch?
Zu den Prominenten: Das ist wirklich sehr verschieden. Wir haben nie behauptet, dass alle selbst schreiben. Bei Arnold Schwarzenegger ist es so, dass er die Texte gemeinsam mit Werner Kopacka macht, Werner ist ein toller Schreiber, der macht den letzten Schliff. Und, ist das so schlimm? Auch wir helfen gerne und bieten unsere schreiberischen Dienste an, aber es gibt viele Prominente, die auch selbst schreiben. Die von dir angesprochene Perner zum Beispiel. Himmel, der trau ich mich gar nicht sagen, dass ich das für sie übernehme. Sie schreibt einfach selbst zu gerne. Einige Prominente werden von unseren Newcomern interviewt, das ist Teil des Projekts. Roland Düringer zum Beispiel, der wurde von einem Nachwuchs-Talent interviewt, kurz vor Weihnachten.
David Slavik ist neu im „Kern-Team“, er ist uns auf der Plattform aufgefallen, ein toller Schreiber. Er interviewt Experten und macht Texte draus. Der jeweilige Experte schaut, ob es seine Worte sind und schreibt meist noch was dazu. Das ist Teil von fischundfleisch. Der Nachwuchs soll schreiben. Und daran verdienen.
Wie finanziert sich fischundfleisch eigentlich bzw. wie soll es sich einmal finanzieren?
Das Business Modell wird dich überraschen und besteht aus 3 Säulen. Eine davon ist Werbung, aber ganz anders als ihr sie bisher kennt. Noch vor wenigen Wochen haben wir gezittert. Wir wussten nicht, wie es weitergeht und dachte: „Aus. Keine Kohle, Ende.“ Aber weil die Zahlen sehr gut sind, ist ein Investor aufgesprungen. Er gibt uns eineinhalb Jahre Zeit, um break even zu erreichen. Das werden wir sicher schaffen. Jetzt, wo wir Geld bekommen, werden wir auch die Technik verbessern und andere Maßnahmen treffen. Noch sind wir Amateure, daraus machen wir kein Geheimnis, aber ich bin nun einmal nicht Marc Zuckerberg, der Hunderte Millionen Dollar Startkapital hat. Was wir mit wenig Geld auf die Beine gestellt haben, ist schon okay.
Welche Frage sollte ich noch stellen?
ZB warum ich mir die Arbeit antue, weil es extrem viel Arbeit ist.
Mir haben die Leute mein Leben lang gesagt, dass ich verrückt bin. Vielleicht bin ich es ja wirklich, weil ich mir das hier alles antue. Es ist sehr viel Arbeit, mein Erspartes ist futsch (immerhin mehr als 50.000 Euro); ich mache das meiste allein und fühle mich oft auch so – obwohl wir schon mehr als 70.000 unique clients haben (bis zu 7000 Leuten sind pro Tag schon bei uns online). Ich habe immer irgendwelche Zweifel, so wie die meisten Menschen. Doch wenn mir die User schreiben, wie glücklich sie f+f macht und wie viel Freude ich ihnen schenke, dann ist dieses Gefühl unbeschreiblich und diese, verzeiht, Arsch-Hacke, die mir meine Kräfte raubt und mich wenig schlafen lässt, lohnt sich dann doch noch so richtig.
Danke für das Interview.
So much fail in den Antworten. Kopf->Tisch.
Danke Robert für das Interview. Ich hab mir kürzlich (bei „deren Aufruf“:https://twitter.com/fischundfleisch/status/548498674939363329) auch überlegt, ob ich dort schreiben will. Aber wirklich zu einem Ergebnis bin ich nicht gekommen, weil das dort so laut (marktschreierisch) und chaotisch ausschaut.
Und das Bewertungssystem führt dazu, dass Überschriften so sind wie sie sind. Dieses Click Bait finde ich nicht so ansprechend; aber es ist halt ein „Produkt der Zeit“:http://kurier.at/kultur/medien/click-bait-die-neue-macht-im-social-web/63.993.318.
Wirst du für die schreiben Robert?
Danke. Es gab da ein paar Fragen/Diskussionen – und die wollte ich einfach mal direkt stellen, als nur mit anderen zu diskutieren. Das mit den Antworten noch nicht für alle alles geklärt ist, das war zu erwarten.
Ich selbst? Ich habe mein eigenes Blog hier und das ist für mich prioritär. Auch für mich ist die Linie von f+f nicht ganz klar, aber das soll sich ja in den nächsten Monaten noch etwas schärfen. Was ich mir dann eventuell – je nach den Gegebenheiten – vorstellen kann ist zu einem bestimmten Thema auch diese Öffentlichkeit zu „nutzen“. Z.B. eine Ar tikelserie rund um den Blue Beanie Day oder ähnliches.
Vorerst kümmere ich mich aber lieber um mein Blog und wie ich es für mich noch passender machen kann.
Danke für das Interview.
Hat einen ganz guten Blick auf die Entwicklung gegeben.
Was noch immer nicht geht. Kommentieren ohne einloggen.
Wurde bereits vor einigen Monaten angekündigt, ist bis jetzt aber nicht passiert.