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Das Fediverse: Webstandards und Barrierefreiheit

Das Internet verändert sich ständig – und mit ihm auch die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren. Während monolithische Plattformen wie Facebook und X (ehemals Twitter) von proprietären Standards und geschlossenen Systemen geprägt sind, zeigt das Fediverse, dass es auch anders geht: offener, inklusiver und barrierefreier. Doch was genau macht das Fediverse so besonders, und warum könnte es eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der digitalen Zukunft? In diesem Artikel möchte ichThemen wie Barrierefreiheit, Webstandards und den Blue Beanie Day, ein Symbol für den Einsatz für offene Webstandards, beleuchten..

Was sind Webstandards und warum sind sie wichtig?

Webstandards sind Regeln und Technologien, die dafür sorgen, dass Inhalte im Internet konsistent und für alle zugänglich sind. Sie werden von Organisationen wie dem World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt und umfassen unter anderem Protokolle (wie HTTP), Programmiersprachen (HTML, CSS, JavaScript) und Datenformate. Offene Webstandards fördern:

  1. Interoperabilität: Inhalte können unabhängig von der Plattform oder dem Gerät genutzt werden.
  2. Innovation: Offene Standards ermöglichen Entwicklern, neue Anwendungen zu schaffen, ohne auf die Genehmigung großer Unternehmen angewiesen zu sein.
  3. Zugänglichkeit: Webstandards legen die Grundlage dafür, dass das Internet für alle Menschen zugänglich ist, unabhängig von deren Fähigkeiten.

Was bedeutet Barrierefreiheit im digitalen Raum

Barrierefreiheit (engl. Accessibility) bezeichnet die Gestaltung von Technologien und Inhalten, sodass sie für Menschen mit Einschränkungen zugänglich sind. Dazu gehören:

  • Technische Lösungen: Unterstützung für Screenreader, Navigationsmöglichkeit allein mit der Tastatur.
  • Inhaltliche Praktiken: Klare Sprache, einfache Navigation, Verwendung von Alternativtexten für Bilder.
  • Barrierenfreiheit für alle: Barrierefreiheit betrifft nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch Nutzer:innen mit temporären Einschränkungen, wie etwa einem gebrochenen Arm, oder ältere Menschen, die größere Schriftgrößen benötigen. Ein guter Kontrast hilft allen beim Lesen. Barrierefreie Webseiten lassen sich auch leichter am Smartphone lesen, weil sie sich viel besser z.B. an Bildschirmgrößen anpassen.

Das Fediverse als Vorreiter für offene Webstandards

Das Fediverse ist ein dezentrales Netzwerk aus sozialen Plattformen, das auf offenen Standards basiert, insbesondere auf dem Protokoll ActivityPub. Dieses vom W3C entwickelte Protokoll ermöglicht die Kommunikation zwischen verschiedenen Plattformen wie Mastodon, Friendica, Pixelfed (für Fotos) oder PeerTube (für Videos).

Interoperabilität durch ActivityPub

Dank ActivityPub können Nutzer:innen auf Mastodon beispielsweise mit Nutzern von Pixelfed interagieren – etwas, das in zentralisierten Netzwerken kaum möglich bis unmöglich ist. Diese Offenheit fördert eine vielfältige und unabhängige digitale Landschaft.

Gemeinschaftsorientierte Entwicklung

Da das Fediverse auf Open-Source-Software basiert, können Entwickler:innen – eigentlich jede:r – aus der ganzen Welt dazu beitragen, die Plattformen zu verbessern. Diese Gemeinschaftsstruktur führt oft schneller zu Innovationen.

Barrierefreiheit im Fediverse

Barrierefreiheit ist im Fediverse nicht nur ein optionales Feature, sondern tief in der Philosophie einzelner Plattformen verankert:

Alternativtexte und Bildbeschreibungen

Viele Plattformen im Fediverse ermutigen Nutzer:innen, Alternativtexte für Bilder hinzuzufügen. Diese Texte helfen sehbehinderten Menschen, den Inhalt eines Bildes durch Screenreader zu erfassen.

Inhaltswarnungen (Content Warnings)

Mastodon und andere Plattformen bieten Inhaltswarnungen, die es Nutzer:innen ermöglichen, sensible Inhalte zu verbergen und bei Bedarf bewusst zu öffnen. Dies ist insbesondere nützlich für Menschen mit sensorischen Empfindlichkeiten.

Barrierefreie Frontends

Projekte wie Tusky (eine Mastodon-App für Android) oder der Mastodon-Webclient bieten Funktionen wie:

  • Unterstützung für Screenreader.
  • Tastatursteuerung für Menschen, die keine Maus verwenden können.
  • Anpassbare Oberflächen, z. B. für hohe Kontraste.

Der Blue Beanie Day: Einsatz für offene Webstandards

Der Blue Beanie Day ist ein jährlicher Aktionstag am 30. November, der darauf aufmerksam macht, wie wichtig offene Webstandards und Barrierefreiheit sind. Der Name stammt von den blauen Wollhauben, die in der Webentwickler-Community ein Symbol für die Unterstützung der Ideen aus Jeffrey Zeldmans Buch „Designing with Web Standards“ sind.

Die Botschaft des Blue Beanie Day

Der Blue Beanie Day erinnert daran, dass das Web für alle zugänglich sein sollte – unabhängig von Einschränkungen oder verwendeter Technologie. Teilnehmer posten Bilder von sich mit blauen Hauben (Beanies), um ihre Unterstützung für offene Standards und Barrierefreiheit zu zeigen. Die zentrale Idee: Nur durch die Einhaltung von Webstandards bleibt das Internet fair und inklusiv.

Herausforderungen und Chancen

Ich möchte nicht idealisieren. Das Fediverse ist so gut, wie die Summe aller Nutzenden. Allein, dass hier der Diskurs über ein Web für Alle geführt wird, hat schon sein Gutes.

Herausforderungen im Fediverse

  • Uneinheitliche Barrierefreiheitsgrundsätze: Da jede Instanz unabhängig betrieben wird, gibt es keine zentrale Instanz, die einheitliche Grundsätze durchsetzt. Auf der einen Instanz wird man z.B. aktiv auf die Nutzung von Alternativtexten hingewiesen. Auf anderen ist es jedem egal.
  • Fehlende Ressourcen: Viele Instanzen werden ehrenamtlich betrieben, was die Implementierung komplexer Barrierefreiheitsfunktionen erschweren kann.

Chancen durch Gemeinschaft

  • Crowdsourcing von Lösungen: Die offene Struktur des Fediverse erlaubt es Nutzern und Entwicklern, gemeinsam an Barrierefreiheitslösungen zu arbeiten.
  • Offene Plattformen: Die Offenheit der Software hat einen großen Vorteil. Apps können sich anhängen und eine ganz andere Art der Nutzung der Usability bieten. Es können auch andere Weboberflächen genutzt werden. All dies bietet die Chance, dass z.B. Menschen mit einer Behinderung eine für sie viel besser angepasste Bediener:innenoberfläche nutzen können.
  • Mehr Sensibilität: Kleinere Instanzen können auch stärker ihre Nutzenden sensibilisieren, auf Barrierefreiheit zu achten. Weil auch viele Nutzer:innen bewusst das Fediverse gewählt haben, schauen sie auch auf andere und weisen auf Maßnahmen, wie die Verwendung von Alternativtexten bei Bildern hin.
  • Passende Instanzen: Mag die Pluralität der Instanzen auch seine Schwierigkeiten bringen, so hat sie doch auch ihr Gutes. Als Mensch mit Einschränkungen, mit einer Behinderung, etc. kann ich mir eine Instanz suchen, auf der mich Admins und die Community unterstützen.

Ich erinnern mich, wie ich in das Fediverse erstmals eingetaucht bin. Im Vergleich zu Twitter stieß ich oft auf Hinweise, dass man Alternativtext nutzen solle bzw. haben mich Apps darauf hingewiesen. Es gab und gibt Diskussionen, wie man auch auf andere Gruppen mehr Rücksicht nehmen kann und soll.

Fazit

Das Fediverse zeigt eindrucksvoll, dass ein offenes, inklusives und zugängliches Internet möglich ist. Mit offenen Webstandards und einer starken Gemeinschaft fördert es eine digitale Zukunft, in der Barrierefreiheit nicht nur ein Add-on, sondern eine Selbstverständlichkeit sein könnte. Der Blue Beanie Day erinnert uns dabei auch daran, dass wir alle dazu beitragen können, das Internet gerechter und nachhaltiger zu gestalten.

Wenn du selbst im Fediverse bist, wie siehst du die Barrierefreiheit. Kümmert es dich? Bist du selbst Betroffene:r und hättest Vorschläge für Verbesserungen?

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