Auf der BIZEPS Website habe ich von „Die Erbschaft“ gelesen. Das ist ein Krimi, der von der Firma Capito herausgebracht wurde.
Das besondere an dem Buch. Es ist nach dem Leicht Lesen Standard von Capito geschrieben. Capito schreibt darüber:
Leicht Lesen ist ein Wort-Zeichen für Informationen,
Capito
die auch Menschen mit Lernschwierigkeiten
leicht lesen und verstehen können.
Man sagt oder schreibt dann:
„Das ist eine Information in Leicht Lesen“.
Oft verwendet man auch die Abkürzung „LL“ für Leicht Lesen und sagt:
„Das ist eine Information in LL.“
Aber nun zum Roman.
Mich hat interessiert, wie ein solcher Roman geschrieben ist. Daher habe ich ihn bestellt.
Außerdem wurden von dem Roman nur 500 Stück gedruckt. Daher ist es etwas besonderes ein Stück in Händen zu halten.
Zum Inhalt
Anfang ist es etwas ungewohnt nur kurze Zeilen zu lesen. Es fällt einem gleich auf, dass viele Füllwörter fehlen. Alles wird recht direkt erzählt. Aber ganz so simpel ist der Roman nicht. Es gibt mehrere Handlungszweige: Die Sicht des Täters, die Sicht des Opfers und die der Freundin. Damit gibt es auch mehrere Hauptpersonen. Und durchaus taucht man auch ein wenig in die Gefühlswelt dieser Personen ein.
Ich habe den Roman in rund 45 Minuten gelesen. Natürlich erwartet man sich keine großen Wendungen, aber er hat durchaus einen Spannungsbogen. Immer wieder kommt natürlich (und das ist wohl legitim) die Botschaft, dass behinderte Menschen selbständig agieren können, für sich Entscheidungen treffen können. Es ist dann auch ein Netzwerk von behinderten Menschen, dass zur Aufklärung beiträgt.
Das ist meiner Meinung ein wenig auch eine „Schwachstelle“ des Romans. Die Menschen nutzen dabei ein Soziales Netzwerk (online) um sich auszutauschen – so weit so gut. Aber über dieses Netzwerk aufzurufen einen Verdächtigen zu beobachten, das geht doch ein wenig Richtung Selbstjustiz. Eventuell wollten die Autoren aber das „werdet aktiv und gemeinsam sind wir stark“ damit mehr in den Vordergrund rücken. Denn der Roman kann auch anregen, über die Frage nachzudenken, wie selbständig behinderte Menschen in unserer Gesellschaft agieren können.
Die Sprache des Romans ist gar nicht so simpel als ich mir dachte. Außerdem … Oft denke ich mir bei Büchern oder Filmen: So spricht doch kaum einer in der Realität, so geschliffen, so abgerundet in der Formulierung. Die „Vereinfachung“ in „Die Erbschaft“ kommt eigentlich unserer Alltagskommunikation sogar näher – so als würde mir meine Nachbarin davon erzählen.
Mehr vom Inhalt will ich gar nicht erzählen, um nichts vorweg zu nehmen 🙂
Fazit
Natürlich möchte ich weiterhin gerne auch hochkomplexe, durchkonstruierte Geschichten lesen. Aber der Roman macht mich neugierig, wie man z.B. ein Liebesgedicht in „Leichter Lesen“ schreiben würde. Gleichzeitig stelle ich mir die Frage, ob „Leichter Lesen“ den Sprachstil einfach einebnet oder ob AutorInnen – sofern sie schon in „Leichter Lesen“ schreiben – noch erkennbar bleiben.
Ich wollte zuerst versuchen, den Text dieses Artikels auch in einfacher Sprache zu halten (habe dies dann nicht durchgezogen). Das ist gar nicht so einfach, als man denkt. Es ist wie bei manchen Informationstexten, die ich schreibe. Zuerst hat man 5 Seiten. Dann streicht man alles weg, was eigentlich nur um die Sache herumredet. Füllwörter müssen dann auch dran glauben. Und dann gilt es zu überlegen, wie ein Satz mit drei Beistrichen in zwei kurze Sätze zerlegt werden kann – damit er verständlicher wird. Leichter Lesen geht wohl noch – zumindest – einen Schritt weiter.
Zu Capito und Leicht Lesen gibt es natürlich auch eine Leicht Lesen Erklärung auf deren Website. Wobei es für Leicht Lesen als allgemeinen Begriff keine einheitlichen Standards gibt.
Wer mehr Texte lesen will, die in leicht verständlicher Sprache geschrieben sind, für den ist eventuell die Online-Bibliothek des Vereins bidok von Interesse.
Der ÖAR hat einen eigenen „Leitfaden für verständliche Information“ herausgegeben. Dieser wendet sich nicht nur an TexterInnen, die für Menschen mit Lernschwierigkeiten schreiben. Die Punkte sollte eigentlich jedeR von uns beherzigen, wenn wir Informationstexte verfassen.
Eine etwas kürzere Anleitung gibt es bei Freak Online, der Website des „Freak Radio„.
Zum Schluss. Am 8. Mai 2014 findet der A-TAG 2014 zum barrierefreien Internet statt (Teilnahme kostenlos, Anmeldung erforderlich). Beim A-TAG wird es auch Neuerungen zu easy-to-read zu hören geben.
Bestellen
„Die Erbschaft“ gibt es als gedrucktes Werk – aber auch als barrierefreies PDF – auf der capito Bestellseite zu einem Preis von 11 Euro (plus Versandkosten). Update vom 28.12.2021: Das Buch gibt es jetzt online zu lesen auf der Seite „Sommerkrimi“ von Capito.
Wer das Buch gelesen hat oder anderweitige Erfahrungen mit Leicht(er) Lesen mit mir teilen möchte. Ich freue mich über Kommentare.
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Oh, guck mal, was zu lesen: Die Erbschaft – ein „Leicht Lesen“ Krimi http://t.co/VBmxtvr2hB #fb
Danke für diesen ausführlichen „Erfahrungsbericht“ über „Die Erbschaft“!
Das Liebesgedicht kommt als nächstes ; )
Übrigens: Literatur im „leicht lesen“-Format ist nur im deutschen Sprachraum neu. In Schweden (Lättläst) aber auch in Spanien (lectura facil) hat das schon viel Tradition.
RT @RobLen: Die Erbschaft – ein „Leicht Lesen“ Krimi – meine damalige Kritik. #bcdigital #a11y https://t.co/HLvNDRWeKv