Also langsam. Auf der Bühne links ein kleiner Tisch, drei Sesseln (die Bar). Auf der rechten Seite ein oranges Sofa (die Wohnung). Die Handlung findet simultan an beiden Orten statt. Keine Angst, niemand redet durcheinander. Doch oft ergänzen sich die SchauspielerInnen beider Orte in witziger Weise in dem sie die Fragen der einen Seite auf der anderen Seite – zwar zu einem anderen Thema aber passendst – beantworten.
Aber worum geht es eigentlich? Der Pressetext schreibt:„Der König sagt…“ Dieses Spiel kann man beliebig oft variieren. Das Problem an der Sache ist, dass nun mal jeder gerne was sagen würde. Ein Spaßmacher, ein König, ein Springer – wer sagt was, und wer ist wer in dieser schwarzen Komödie? Und ist überhaupt irgendjemand?
Dem Zuseher und Zuhörer ist anfangs klar, dass es um einen kleinen Drogendealer geht und um jemanden Hochgestellten, der darin verwickelt ist. Aber kaum glaubt man dies wirklich, stellt sich die Sache ganz anders dar. Ein Journalist auf der Suche nach der Story seines Lebens dreht und wendet das ganze wie es ihm beliebt.
Der „König“ ist wohl die Hauptfigur eines Schachspiels, kann aber selbst oft keine wichtigen Züge setzen. So ist auch der König in „Der Springer“ eine Figur im Hintergrund. Er wird oft genannt, ist aber mal Regierungschef, Chefredakteur und vieles mehr. Dabei wird auch seine Rolle von den Protagonisten manipuliert und immer wieder neu gedacht.
Ein Springer macht im Schachspiel verwinkelte Züge und so führt einem das Geschehen an den beiden Orten zu immer neuen Ecken – zu immer neuen Sensationen, die sich das verwinkelte Gehirn eines kleinen Schreiberlings mit der Hoffnung auf Starruhm so ausdenkt. In der Wohnung lebt und leidet bisweilen die Frau eines Mannes, der sich dann zuletzt als Politiker herausstellt. Auch dieser tritt später auf die Bühne. Was ihm zur Last gelegt wird, auch das bleibt unklar. Denn es tritt auch das Fernsehen und Radio in Form zweier Interviewerinnen auf, die fast je nach Lust und Laune die Rolle des Politikers darstellen.
Und? Kennt sich jetzt jemand aus? Nein! Gut so, denn genauso sitzt man am Schluß und applaudiert. Es gibt keine Auflösung – so wie im wirklichen Leben! Was ist erfunden, was ist die Wahrheit? Ist die aufgedeckte Wahrheit manchmal auch nur eine Manipulation um uns von etwas ganz anderem abzulenken?
Nein, diese letzte Frage finde ich in „Der Springer“ nicht. Es geht nicht um große Verschwörungstheorien, sondern nur um die Manipulation der Wahrheit um des eigenen kleinen Vorteils willen.
Noch immer verwirrt? Nun, ich schreibe selten Theaterkritiken und möchte gar nicht eine ganze Handlung ausbreiten. Außerdem liegt – trotz guten Spiels mancher der SchauspielerInnen – der Hauptschwerpunkt natürlich auf dem Wort und auf der Manipulation der Worte und das muß man eben gehört haben ;-). Als Zuhörer fällt es einem aber trotzdem nicht schwer, dem Geschehen an sich zu folgen.
„Der Springer“ sind 60 Minuten nachdenken und hin und wieder schmunzeln (mein unbekannter Nachbar lachte manchmal sogar laut auf).
Wer das Stück sehen will, hat derzeit dazu aber kein Möglichkeit. Es war die dritte von drei Vorstellungen. Vielleicht gibt es aber eine Videodokumentation.
Inszenierung: Myrta Köhler, Gabriele Matzinger
mit: Barbara Krahofer, Clemenz Kramberger-Kaplan, Reinhard Kräuter, Sissi Noe, Luise Ogrsek, Andreas Seidl, Paul Sigmund, Ingrid Stejskal
Raum: Karo Kindermann
Licht/Ton: Johanna Eichinger
Foto: Birgit Graschopf
Zum Schluß: Die Frau (Lenau genannt) sitzt im Wohnzimmer und schnippselt Artikel aus den Tageszeitungen. Das ist ihr Leben. Sie manipuliert sich selbst das Leben und die Wahrheit aus all ihren Fundstücken, die doch selbst oft sehr widersprüchlich sind.
Zitat (aus meinem Gedächtnis reproduziert):
Freundin: Das Leben rast doch hier nur an dir vorüber.
Frau Lenau: Ich hoffe es!