Für mich gab es ganz klar die Motivation, ein Zeichen zu setzen, dass ich bereit bin, für ein soziales Netzwerk, das ich täglich nutze, auch Geld zu bezahlen. Auslöser war die Unsicherheit, die Twitter durch die Ankündigung der Änderung bei Nutzung der API für Entwickler und Benutzer geschaffen hat. Die Twitter-Webseite selbst ist kein Paradebeispiel für Barrierefreiheit, und die Twitter-eigenen Apps sind es auch nicht. Der Mac-Client ist gar nicht mit VoiceOver zugänglich, der iOS-Client funktioniert auf dem iPhone ganz OK, auf dem iPad hingegen fast gar nicht, und der Android-Client funktioniert in großen Teilen nicht. Will ich als Blinder also Twitter effektiv nutzen, brauche ich eine der Apps, die Twitter jetzt nach und nach absägen will, die es aber waren, die Twitter überhaupt erst so erfolgreich haben werden lassen.
Und hier sehe ich das Potential von app.net: Der Dienst ist von Anfang an auf Entwickler zugeschnitten, die Apps dafür entwickeln sollen. In einem Eintrag des Firmenblogs brüsten sie sich sogar damit, dass weniger als 50% der Posts von der eigenen alpha.app.net-Seite kommen. Dies bietet natürlich eine Chance für barrierefreie Clients, und die ersten Kontakte sind sehr vielversprechend: Es gibt einen Mac-Client nebst aufgeschlossenem Autor, der sich um eine bessere VoiceOver-Unterstützung kümmert, der Autor der ersten App im Play Store von Android war für Vorschläge zur Verbesserung der Talkback-Unterstützung ebenfalls sofort offen, und für einen quelloffenen iOS-Client habe ich gerade gestern einen ersten VoiceOver-bezogenen Pull Request eingereicht, der heute nacht akzeptiert wurde.
Und das wichtigste: Werbung schafft eine Reduktion an Barrierefreiheit, egal wo sie auftaucht. Twitter wird also die Zugänglichkeit einschränken, egal wie sehr sie ihre Apps zugänglich machen, wenn dies denn endlich mal geschehen würde. Aber die zwangsweise Einblendung von Werbung wird in jedem Fall zu einer Reduktion der Benutzbarkeit führen. Twitter hat mir nie angeboten, ihnen Geld dafür zu bezahlen, dass sie mir keine Werbung reindrücken und mir die Wahlfreiheit bei der App lassen, die ich am besten für den Dienst nutzen kann. App.net gibt mir diese Wahl von vornherein. Ich nutze Twitter als inzwischen einziges Social Network, nachdem ich vor zwei Monaten meinen Facebook-Account endgültig gegrillt habe, und die Nutzung wird mir durch ein überhaupt nicht benutzerfreundliches Geschäftsmodell verleidet. Und da bietet App.net eine echte Alternative! Und ich hoffe, dass es tatsächlich in Zukunft noch abgestuftere Zahlungsmodelle gibt, so dass auch Leute mit niedrigerem Budget sich dran beteiligen können!
Noch ein Wort zu Twitter-Alternativen von früher: Da gibt es diesen Nischen-Dienst namens identi.ca von StatusNet. Der hat es nie geschafft, eine echte Alternative zu Twitter zu werden, weil er die entscheidende Frage nach der Tragfähigkeit ebenfalls nicht beantworten kann. Ja, ihr System ist sogar Open Source, aber dennoch weiß man eben nie, woran man bei denen ist. Und die Infrastruktur an Clients ist ebenfalls längst nicht so gut, obwohl es den Dienst schon fast so lange gibt wie Twitter. Obwohl ich auch bei identi.ca einen Account habe, nutze ich ihn nicht, weil dort schlicht kein Netzwerk zu bilden ist.