Ich habe überlegt, ob ich noch mal einen Blog als Antwort auf Deinen Blog hier schreibe. Aber die Antwort ist schon sehr speziell auf diesen hier zugeschnitten, somit bekommst Du meinen Senf nun hier als Kommentar. Here we go: 😉
*Diaspora*
Du erwähnst Diaspora und dass dieser Service einen starken Fokus auf Datensicherheit setzte. Das ist zwar richtig, aber ich sehe an Diaspora etwas ganz anderes: Diaspora war super simpel zu bedienen, bot Twitter ähnliche Möglichkeiten, und ist vor allem immun gegen das Problem, dass ein Service Amok läuft oder offline geht (da es eben dezentral ist und man dann einfach einen anderen Server aufsetzen kann, wenn man möchte). Für den normalen Anwender war es „wie Twitter“ benutzbar, der Power User hatte dazu noch einige weitere tolle Features, die er benutzen konnte.
Die Anfangszeit von Diaspora erinnert mich sehr an die Aufbruchstimmung, die app.net bei manchen scheinbar auslöst. Ebenfalls über Crowd Funding finanziert (wenn ich mich richtig erinnere), erfuhr es anfangs den selben Hype wie app.net jetzt. Auch Diasporas Hype hatte seine Ursache damals in einer Unzufriedenheit der Benutzer eines „global Players“ (in dem Fall war es Facebook).
Im Gegensatz zu app.net war Diaspora (natürlich, da dezentral) kostenlos, trotzdem wurde es nicht benutzt. Jedenfalls nicht von „den normalen Benutzern“, Power User waren begeistert und beschrieben es fast religiös, wieder eine Ähnlichkeit, die ich zu app.net sehe.
*Developer*
Wie in meinem Artikel geschrieben, sehe ich hier ein großes Problem: Wer für app.net entwickeln will, soll dafür zahlen? Warum? Klar, man kann es als Wette ansehen: Wenn ich der erste bin, der für einen Client für 1€ in den Market stellt, ist die Chance einigermaßen hoch, dass die „Aufbruchstimmung“ der Benutzer am Anfang mir 100+ Verkäufe meines Clients sichert. Natürlich wäre dann nur die von app.net geforderte Provision gesichert, keine Entwicklungskosten usw. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass „meine Kunden“ ja nicht nur 1€ an mich sondern auch $50 an app.net zahlen müssen, damit sie meinen Client überhaupt sinnvoll benutzen können.
Die Wette bestünde also darin, dass man darauf wettet, dass app.net erfolgreich wird. Die selbe Wette gehen ja eigentlich auch Benutzer ein, die $50 für einen Service zahlen, den sie (so wie er sich bis jetzt zeigt) auch kostenlos wo anders bekommen können. Diese Wette gehe ich persönlich noch nicht ein. Und das liegt wahrscheinlich auch daran, dass mir noch keiner erklären konnte, was das einzigartige an app.net ist. Derzeit ist es nur eine App (ein Twitter Clone), der von den Machern als Proof of Concept verstanden wird und deshalb auch durchaus verschwinden kann. Was app.net _eigentlich_ machen soll, ist (mir) noch völlig unklar.
*Microbloggin, Posterous und IFTTT*
Wenn app.net so etwas wie Posterous anbieten würde, wäre das evtl. etwas anderes. Viele wollten etwas wie Posterous haben und sagten, sie würden auch etwas dafür zahlen, um den Fortbestand zu sichern. Dazu gehörte ich auch, allerdings habe ich für mich inzwischen andere Wege gefunden..
Du erwähnst IFTTT und fragst nach deren Geschäftsmodell. Eine gute Frage! Ich persönlich würde für IFTTT (im Gegensatz zu app.net derzeit) durchaus etwas zahlen. Der Grund liegt in einem entscheidenden Unterschied der Services: IFTTT bringt mir sinnvolle Vorteile bereits durch den Service an sich. Das gilt für app.net (noch?) nicht. Der Service als solcher bringt mir gar nichts, erst die Vernetzung und der Inhalt (der von anderen geliefert werden muss) füllt den Service mit Leben. Posterous war auch so etwas: Das war für sich schon sinnvoll, die Community Features brauchte es gar nicht (und machte den Service IMHO sogar unnötig kompliziert und aufgeblasen).
*Instagram*
Du erwähnst Instagram als einen Service, der auch keine „lebensfähige Idee“ war. Meiner Meinung nach hat die Vergangenheit genau gezeigt, dass das völlig richtig war. Instagram war selbst nicht fähig, ein ordentliches Geschäftsmodell zu erstellen und profitabel zu werden. Es musste an einen Service verkauft werden, der gerade Unsummen an der Börse abgeschöpft hatte und diese in irgendwelche Services investieren musste. Instagram bot sich da an. Klar, für Instagram war das sehr profitabel. Posterous hat sich über den Aufkauf durch Twitter sicher auch nicht beschwert. Wurden die Services dadurch für die User aber lebensfähiger?
Bei Posterous kann man das klar verneinen, bei Instagram muss man wohl noch abwarten, was Facebook eigentlich mit dem Service vorhat und wie es den Kaufpreis mit dem Service wieder realisieren will..
*Visitenkarte*
Zitat: „App.net ist meine zentrale Registrierungsstelle, hier ist mein Profil und mein Name/Nickname gespeichert“.
Den Wunsch dazu verstehe ich nun gar nicht. Warum willst Du schon wieder so eine zentrale Stelle Deiner Internet Aktivität an einen externen Service auslagern, auf dessen Überleben und dessen Angebot Du keinen wirklichen Einfluss hast?
Meine „Visitenkarte“ ist natürlich selbst gehostet. Es ist mein Blog, das meine Internet Aktivitäten beschreibt und meine ID liefert (um das sicher zu stellen, habe ich dafür sogar extra auf dem Server einen eigenen OpenID Service eingerichtet). Alle anderen Services, die ich benutze, sind nur „nettes Beiwerk“, das ausgetauscht werden kann im Falle des Falles, oder das nicht schmerzt, wenn es mal wieder den Weg so vieler Services in der letzten Zeit geht..
*Fazit*
Derzeit sehe ich für mich einfach nicht den Mehrwert von app.net, der mir $50 oder gar $100 pro Jahr wert wäre. Ich sehe auch kein Feature, das mich gerade besonders reizt oder das ich immer schon einmal haben wollte. Das Argument, das ich bei Dir sehe, ist das „early adaptor“ Argument. Das zieht für mich aber bei diesem Service nicht. Dazu muss der Service mir Visionen geben. Das kann ich bei app.net aber nicht erkennen. Ganz im Gegenteil habe ich im Moment noch das Gefühl, dass app.net selbst gar nicht weiß, was sein Ziel sein soll. Böse interpretiert könnte das auch ein Service sein, der mit einer irren Werbetrommel versucht, eine halbe Million Dollar einzutreiben, die vorher (mindestens) mit den anderen Services des Betreibers in den Sand gesetzt wurden. Das will ich dem Service natürlich nicht unterstellen.
Aber ich sehe wie gesagt noch nicht, wo es hingehen soll und was das „neue“ an dem Service ist. Für mich ist es erst einmal „yet another social network“, das noch nicht social ist (da fehlen die Bentzer) aber verglichen mit anderen Services unglaublich teuer ist..